10.30 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 26.4.1918. Brief. 1 Bl. hs.

Hausmann beteuert seine Liebe und wiederholt seine Drohung , sich zu töten.

26.April 18.-

Liebste

ich erhielt soeben Deinen Brief - inzwischen hast Du hoffentlich meinen erhalten, den ich vor 2 Tagen Danilo für Dich gab. Du wirst daraus sehen, dass ich selbst ohne Phrase erkannt habe, was Du mir vorwirfst. Ja. Ich war in Proteststellung gegen Dich. Aber Du darfst mich jetzt nicht verlassen. Sei nicht hart: zu Dir gehöre ich - ich leide und schäme mich furchtbar. Wenn Du mir jetzt ein Wort der Hoffnung geben willst - glauben könntest - aus Deiner bisherigen Liebe heraus - dass ich doch noch der Vater Deines Kindes werden darf - dann telegraphiere mir ein einziges Wort. Ich warte bis Mittwoch. Habe ich dann keine Antwort - dann erschiesse ich mich. Dann darf ich nicht mehr leben.

HabŐ mich noch einmal lieb -

Ich will ja lernen von Dir -

R

Hätten wir um Gottes Willen mehr einander gestanden - ich darf dir aber sagen, Liebste, dass Du zu schüchtern warst - hättest Du mir einmal weniger Liebe gezeigt, wärst Du härter gewesen - ich weiss ja nicht mehr was ich schreibe - glaube mir - ich bin doch besser als Du denkst - glaube noch einmal an mich - ich sage das aus Todesangst - Liebstevergib mir doch

R.

Ich hätte weniger theoretisch stolz mein "Wissen" hervorkehren dürfen ich flehe Dich auf Knieen an - vergib mir!

10.36 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 1. bis 5.5.1918. mit Nachsätzen vom 7. und 19. 5.1918. Brief. Blaues Schreibheft mit 37 beschriebenen Seiten und eingeklebten mschr. Passagen.

Aber dies nur nebenbei. Über den Zusammenhang zwischen Masochismus- Einstellung und Wille zur Macht bist Du ja schon unterrichtet. Und meinen Masochismus habe ich mir immer geflissentlich verborgen. Jedoch nur sexuell habe ich dich deshalb nicht geliebt: weil bei mir die Sexualität eine ganz andre ist als, ich darf wohl sagen, bei allen andren Menschen, ausser bei Dir; wir besitzen die selbe Sexualität. Da ist nichts blos Tierisches mehr. Und darum durfte ich Dich auch körperlich erlösen: weil wir Beide im körperlichen Geschehen uns grenzenlos auflösen können, uns ganz unegoistisch hingeben. Nur sexuell würde heissen: ich wollte Dich als Object meiner Lust geniesen. Das habe ich nie getan. Du kennst mein Gesicht dabei - und darum durfte ich am 3.Juli 1915 meine Hand an Deinen Leib legen, und darum durfte ich am 20.Oktober ganz zu Dir kommen. Und das entscheidet, und wird immer entscheiden: ich bin Mensch im körperlichen Geschehen, so wie Du; und ich bin nicht Mann, der Dich als Frau zum Sexual-Object macht. Aber das weisst Du ja - und schon darum bin ich nicht arm.

10.38 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 3.6.1918. Brief. 3 Bl. hs.

Hausmann schreibt diesen Brief in einer sehr gereizten und beleidigten Stimmung. Er wiederholt bereits bekannte Vorwürfe

3.Juni 1918.

Ich will weder schreiben noch reden - Du hast mir aber zu glauben!

Ich war eben, um 11 Uhr vor Deinem Haus und habe vergeblich gepfiffen. Ich wollte in güte beenden. - Und nun muss ich Dir energisch erklären: entweder ich lebe mit Dir und schlafe bei Dir - oder nicht. Aber auf Dein Kommen vom 9.Mai hin hast Du unser Zusammenleben und unserer Beziehungen ernster zu nehmen als eine "Ehe". Daran halte Dich. Und Du hast nicht mehr fortzulaufen oder mich hinauszuwerfen das Recht, sondern die Pflicht, bei mir auszuhalten. Ich erkläre ganz energisch, dass du mir glauben musst, dass ich Sonnabend nicht gestört war, Deine, durch das Verschweigen der Periode und das lange Sein bei Ullstein nötig gewordene Überkompensation hat Dich aber zu einer falschen Einstellung mir gegenüber gebracht, aus der heraus ich Sonntag neurotisch wurde. Das ist der Tatbestand und ich betrüge mich nicht. - Wenigstens hättest Du, sogar nach Deinem Brief, die Verpflichtung gehabt, auf meine Versuche, mit Dir zu einem Contakt zu kommen, nicht antworten dürfen: Du fühltest Dich nicht gefragt. Und brutal wäre ich nicht geworden, wenn Du nicht in höchstem Masse mir Deine Verachtung gezeigt hättest. Dazu hattest Du nie ein Recht - wenn Dus aber tust, dann trage die Folgen, ohne fortzulaufen. - Du hast Deine Negativität zu sehen, und dass Deine Übertreibung im Herabwerten schlimmer ist, als wenn ich schimpfe. Das ertrage ich eben nicht ( Das und ich doppelt unterstrichen). Wenn ich ein (Kutscher) bin , so bist Du eine Verdächtigungsfurie. - Höre endlich mit diesen Dingen auf. Ich verlange, dass Du Dich mir gegenüber so benimmst, wie Du es ohne frage tun würdest, wenn wir verheiratet wären. Ich gab gestern meine Nervosität zu. - da bedurfte es keiner überlegenen Schulmeisterei von Dir, sondern nur ein Eingehen auf mich. - Jedenfalls verlange ich, dass Du, wenn Du schon fortläufst, dies zur Sammlung und zu einem positiven Schritt benutzt. Mache mit dem "Gestank" doch von Dir aus ein Ende! - Ich bin morgen um 9 Uhr bei Dir. Solltest Du nicht da sein, dann bin ichm um 11 Uhr nochmals unten. Du hast Zusammengehörigkeit nicht nur zu wahren, wenn auch mir sie entgleitet - aber dann bist du mitschuldig. Jedenfalls hast Du endlich positiv zu sein. Ich lasse mir diese Hinauswürfe nicht mehr gefallen.

R.

Diesmal bin ich nicht Schuld. Und Dein unsere Beziehungen nur von dem Gesichtspunkt meiner Schuld geschriebener Brief beleidigt mich. ich will vergessen - und Du passe bischen auf Deine Überanstrengungen während der Periode auf: mit dem auf der Chaiselongue schlafenwollen hast Du mich beleidigt! Ohne es zu sehen, dass das unfein war.

Du hast die Pflicht, einzusehen, dass Du unter dem Einfluss einer körperlichen Depression Dich am Sonnabend in mir getäuscht hast - weil ich öfter Schuld hatte als Du, darfst Du nicht daraus einen Automatismus meiner Schuld machen. Ich gebe gerne zu was zuzugeben ist - das habe ich mehr als einmal bewiesen. Aber es ist niedrig, an meiner Aufrichtigkeit so zu zweifeln und sich selbst so apodiktisch zu trauen, dass eine Täuschung ausgeschlossen ist, wei Du das tust. - Dann: das ich immer ein Gefühl und Bewußtsein meiner Schuld habe und mich um Dich bemühe und wiederkomme, ist nicht neurotisch: denn es wäre beim Neurotiker unmöglich, der die Frau zur Hysterie aus seiner angst vor ihr zwingt - um sie eben LOS zu sein. Im Gegenteil aber benutzt Du Deine Isolierung, um Dich vor Dir zu erheben und zu steigern - Du bist bis jetzt 3 oder 4 mal erst freiwillig wiedergekommen. Und statt un-neurotisch positiv den Drang zu haben, auch selbst erlittenes nd von mir angetanes Unrecht zu überbrücken und auszubalancieren - badest Du Dich in dem Dir geschehenen Unrecht, so lange als möglich. Ich kann Dir diese Vorwürfe nicht ersparen - denn die Ernsthaftigkeit unserer Beziehungen gestattet nicht, dass du dir egoistisch-protesthaft Dein Leid vergegenwärtigst - sondern Du hast auch mal mir zu glauben, wenn ich etwas ganz sicher weiss. - Gebe doch für das Verschweigen der Periode einen vernünftigen Grund an, wenn Du kannst - aber Du bist eben der Depression erlegen! - Und statt auf meine beiden heutigen Briefe einzugehen - läßt Du mich umsonst warten, machst nicht einmal den Versuch, gut zu sein. - Du hast mich sechs Wochen leiden lassen - das war so viel, dass Du hinterher mehr tun könntest. Und denke nur ja (Doppelt unterstrichen), dass Du am 21.Mai Nachts sagtest: Du hättest gut zu machen! Aber das hattest Du nach zwei Tagen gergessen! Und meine Liebe ist Dir Dreck - weil Du im Vordergrund meine Brutalität - nicht aber die Möglichkeit Deines Irrtums und Deiner feindseeligen Stellng daraus siehst, sehen willst, Deinen Dreck, wie Umfallen (Deinen Dreck dppelt Unterstrichen), Hemmungen , u.s.w. - kurz Deine Sucht nach Zusammenbrüchen erkennst Du nicht! Die ist aber da - und das ist das Böse, das ich in der Nacht vom 21. Mai meinte! Auch letztes Mal, Mittsoch, sahst Du meine Gestörtheit - aber geholfen hast du nicht, wie Du 10 mal versprochen hast, sondern verurteilt. Und diesmal war ich nicht so, wie Du glaubst. Wenn das mehr wäre, als eine Beruhigung nur für Dich, dieses: "Gebt Liebe denen, denen des Vaters Name nie erklang, gebt Liebe dem Freunde, wenn es ihm blutnot tut - und ich gebe gebe strahle, gebe gebe - " dann könnte ich nicht daran vorbeigehen und dann wäre mir geholfen und ich brauchte nicht versuchen mit Dir in Contakt zu kommen ( oder ich wäre ein Ausbund an Gefühllosigkeit und Gemeinheit und das bin ich nicht - ), so aber ist es nur ein Verdecken dessen, was ich genau fühle: das Du weiss Gott wo, in Nirgendheim bist, schöne Gefühle hast - aber mich garnicht siehst. Und wie reimt sich damit das: Ertragen? Wärst Du realer, d.h. hörtest Du weniger in Dich hinein, mehr zu mir hin - das wäre bei Gott unpoetischer - aber wertvoller!Nochmal - Deine Entwerterei ertrage ich vielleicht weniger, als Du mein Schimpfen - und diese schwäche übersiehst Du Dir gnädig! - Wenn Du so unendlich gibst - ja warum kommst Du nun nicht entgegen, verzichtest auf Dein "Recht" und gibst gibst gibstProfaniere unsern Schlaf nicht!

Ich könnte rasend werden, über diese Selbsttäuschung! Wenn Du ein Zusammenleben willst - dann muss es auch ganz sein. Ich will es - Verlange es!N.B. wie mir Dittmann sagte, kann ich tatsächlich in den nächsten Tagen ausgewiesen werden - also überlege nur noch länger! Ich habe Dir in der Nacht des 21. nicht vor E.S. gesagt, dass siemir Kamerad ist - ich aber Dich liebe - zu sehr liebe, wie mir scheint! Und dafür willst Du nichts tun, um das Elend überwinden helfen - Dein Recht vor allem und über alles - aber das ist keine Neurose! Und die nachdenklichsten Stellen im Adler für Dich - die bemerkst Du garnicht. Ich merke mir aber meinen Teil! Und darum, weil ich das nicht nur als interessante Lecture ansehe, konnte ich das blaue Heft schreiben - Deine Entwertungen in allen Deinen Briefen - die möchte ich jetzt lieber nicht klar machen! Ich misstraue mir, studiere Adler, um mich an der Nase zu nehmen - ds haeb ich Dir deutlich gesagt. Aber auch Du hst paar Fehler - noch von Deiner Vaterliebe her - Na! Gottseidank erklang mir des Vaters Name nie(nie dreifach unterstrichen)!

R.

Jetzt handle!

(fehlen Anmerkungen)

10.40 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 4.6.1918. Brief . 1 Bl.hs.

Raoul Hausmann nimmt noch einmal zu den Vorgängen am 2.Juni Stellung. Er bittet Hannah Höch, sich ihm nicht zuentziehen, sondern eine positive Form der Auseinandersetzung zu suchen

4.Juni 18.

Am 23.Mai hast Du gesagt, Du hättest die Schuld vom 21., Dienstag Nacht auf Dich genommen - in dieser Nacht sagtest Du mir, Du wolltest viel an mir gut machen - also mache jetzt gut. Ich bin zu Dir gekommen, Sonntag morgen (1), um Dir zu zeigen, dass Su mir nicht unangenehm warst - und du täuschst Dich über das Vorgefallene. Du musst mir glauben. In den andern Fällen habe ich meine Schuld jedesmal eingesehen(2). Hier habe ich nicht die Schuld, die Du behauptest. Ganz sicher nicht vom Sonnabend. Du weisst, dass ich Dich sehr liebe - aber Du darfst Dich nicht entziehen, Du musst zu mir halten, wie auch ich zu Dir halte - ich komme immer wieder. Entweder ganz und durch alles - oder garnicht. Verstehe meine Treue - dass ich nervös, auch böse bin, weiss ich. - Aber jetzt handelt es sich um etwas Positives. Glaube, dass ich mich diesmal nicht betrüge und dass Du dich täuschst, lass uns nicht Kraft und Zeit verlieren und sehe, dass Du nicht widerstehen darfst. Nicht weil es mir nicht "passtÓ, sondern weil es anders werden muss - und dazu bin ich fest entschlossen. Also komme um 11 Uhr herunter.

Wir müssen durch alles durch, etwas Positives erreichen nach Möglichkeit un-nervös sein - aber positiv sein jetzt!

(1) Der 4.Juni war ein Dienstag (2) Randnotiz: Ursache oder nicht Ursache ist gleichgiltig wie Schuld

10.41 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 4.6.1918(Nachts). Brief. 1 Bl. hs.

(Auch dieser Brief bezieht sich im Folgenden auf die Vorgänge am 2.Juni1918).

(Denke auch an die Perversionen der Geistigen! Keine "ProteststellungÓ, sondern gegen sie selbst gerichtet. Nachdem ich Deinen Brief mehrmals gelesen habe, sage ich: selbst wenn ich mich Sonnabend betrogen hätte, besteht mein Wille, Sonntag mit Die in Contakt zu kommen, dem Du widerstrebtest. Ich g ab freimütig zu, nervös zu sein, sagte, dies rühre von Dir her: da nicktest Du weise und überlegen - wie ich heute weiss, weil Du Dir eine andre Ursache zurechtgeleget hattest. Also war Dein: ich will es gleuben und es hat dir zu genügen - einfach unwahr. Und das fühlte ich. Noch: es wäre nichts geschehen, wenn Du mich nicht so niederträchtig angesehen hättest. Mache Dir klar, dass Du nicht geneigt warst, wie Dein Brief beweist, nicht geneigt sein konntest, mir entgegen zu komen - Du hast zu sehen, das Du Dich überlegen fühltest und nicht gut warst. Und wie mir scheint, führst Du wieder alles auf mein Verhalten zu E. S. zurück. Wenn sie auch zum Teil die Sache von vorigen Mittwoch verschuldet hat (den Grund zu meinem Gestörtsein gab - ) so doch nicht absichtlich oder böswillig. Und diesmal hat es garnichts mit ihr zu tun.

Ausserdem: was hast Du überhaupt getan, um Deine Beziehungen zu ihr, wie Du müssstest, wirklich zu machen? Sie hat Dir nichts getan. Hier bist Du im Rückstand mit dem Tun. Oder was hast du am 22.Mai zu ihr und mir gesagt? Ist da was erfüllt worden davon? Du schiebst sie wieder zwischen mich und Dich, statt mit ihr zu sein! Aber abgesehen von allem: Du hast Dich getäuscht und hast Fehler gemacht - sei also jetzt gut und sei positiv. Dass Du nicht mit mir auskommst, trifft auch Dich - ich will doch. Und Du - solltest doch helfen? Nein?

Sonntag hast Du verurteilt und entwertet (wie Dein Brief zeigt) bevor ich schlug. Das Entwerten ist Deine Schuld, Du ziehst mich in den Dreck und ich versuchte zu Dir zu gelangen - denn auch Du warst entfernt - eben durch die falsche Wahrenehmung von Sonnabend. Du MUSST glauben!

(Anm. fehlen noch)

10.42 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 5.6.1918. Brief. 3 Bl. hs.

Abends im Bett entdeckte ich, dass Du die Periode hattest und schimpfte nicht, sondern ich konnte die Verheimlichung nicht verstehen. Warum Du sagtest, du wolltest auf der Chaiselongue schlafen, verstand ich nicht. Das ärgerte mich etwas, aber nur etwas - und dann schlief ich ein. Das war Alles. Sonnabend Abend entdeckte ich Deine Binde, weil ich meine Hand zwischen Deine Schenkel legte; Sonntag Früh beim Aufwachen war ich noch sehr müde und verschlafen. Ich bemerkte nur, dass Du leise "Mein GottÓ sagtest, und nachher starkes Herzklopfen bekamst und wusste dafür keinen Grund. ich wäre sehr gerne zu Dir gekommen - es ging aber doch wegen der Periode nicht. Ich wollte es Dir nicht zeigen und wollte mich nicht zu sehr erregen - darum sagte ich zu Dir: warum soll ich lebhaft sein, ich darf doch keine Dummheiten machen! (Hoffentlich besinnst Du Dich darauf!) Ich war nicht böse. Aber zurückhaltend, weil ich Dir meinen Wunsch nicht zeigen wollte. Nachher kam ich zu Dir. (Fehlt Randbem.) um Dir zu zeigen, dass Du mir nicht unangenehm seist. Du hast das alles ganz falsch verstanden: wie ich aus Deinem Brief weiss, weil Du schon den Tag vorher mich sehr missverstanden hast. In dem Periodenzustand hat die Frau oft eine sehr feine Witterung für andere - Du hast aber aus eine Depression heraus Dich getäuscht und Schlimmeres angenommen, als vorhanden war. Ich schwöre Dir, dass es sich nicht anders verhält, als ich hier schildere. Und für meine Dinge darf ich doch begeistert sein - wenn Du aus eine körperlichen Ursache nicht mitbegeistert sein kannst, dann darfst Du mich doch nicht so kategorisch missverstehen! Wenn ich auch darunter leide, von Dir getrennt zu sein - so kann ich doch nicht Dir etwas zugestehen, was nicht vorhandenwar. Und der weitere Verlauf Sonntag entstand daher, dass ich das Gefühl hatte, Du hättest etwas gegen mich (wie ich Dir Nachmittag sagte) und dass ich nicht wusste, was ich tun sollte.- Ich bitte Dich dringend, mir zu glauben. Wenn Du mir erklärst, Du wolltest glauben, dass müsse mir genügen - so musst Du einsehen, dass Du jetzt verpflichtet bist zu glauben, einzusehen und die Zusammenhänge zu verstehen. Dass Du mich Nachmittag überlegen und geringschätzig behandeltest, rührt aus Deiner falschen Einstellung schon vom Sonnabend her. Du hast mir mehr als einmal gesagt: wenn die Periode morgens anfängt und Du dann noch zu Ullstein musst, strengt Dich das äusserst an. Hätte ich Sonnabend eine Ahnung davon gehabt (und ich hätte es erfahren müssen) dann hätte ich vielleicht etwas anderes getan. Also sei doch wenigstens soweit gut, dass Du mir glaubst, dass ich mich nicht betrüge. Ich erwarte Dich heute um 1/2 12 Uhr unten. Sonst hole ich Dich morgen um 9 Uhr zu einer Bootfahrt ab. (Morgen vor 3 Jahren gabst Du mir den ersten Kuss!) Bitte sei gut! Ich will treu sein - und Du musst kommen.

(Nicht nur diese Stelle ist weg mit dem Boot sondern auch di Zeichnung die Hausmann von Höch im Boot machte, bei Seemann)

10.43 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 12.6.1918. Brief 2 B. hs.

Sieh mal - Du bist, wie man so sagt, eine "spröde" Natur und begreifst von einem Mann noch nicht sehr viel - und ich gebe für mein Teil zu, dass ich Dir theoretisch und nicht weich genug gegenüberstehe. Gestern aber - das hättest Du sehen sollen, war ich durchaus nicht erfreut durch das, was ich mit Baader über meine Lage festgestellt habe. Und da konnte ich nachher nichts mehr vertragen. Verstehe doch, woran man als Mann leidet, wenn man keine Null ist - dass ich nie zu etwas komme und auch jetzt ist alles wieder verdorben. Begreife doch (auch nach dem, was ich gestern Vormittag zu Dir sagte,) wie müde ich bin und wie deprimiert, dass es auch mit uns nicht geht ( - was ist "Damaskus" gegen uns - und soll auch dabei nur das "Koster" oder die "Einsamkeit" das Ende sein?) So dass ich auch nicht mehr weiter kann - nicht nur Du! Und dass ich "Dummheiten" wie jeder Mann machte - weil ich mich zerströren wollte - um andre Verhältnisse zu erzwingen - weil die mich erdrücken! Hilf doch dazu, uns zu bezwingen - statt nur auf das "Unrecht" zu sehen! Meinst Du, wenn Du wirklich eine Zeit Unrecht schweigend leiden würdest - ich würde nichts sehen und Deine Übewindung würde für uns keine Früchte tragen? Ist Dein Vertrauen so gering? - Ich erwarte Dich um 3/4 12 Uhr!

R.

Soll ich Dir nochmal sagen, dass ich Dich liebe und dass ich Dich deshalb zeitweilig hasse - weil Du Angst vor mir hast, statt ich gütig, aber fest anzufassen. Liegt Dir überhaupt etwas an unserer Liebe? Ich habe menschliche Manko s - aber Du machst mich böser!

(Fehlen Anmerkungen)

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