(Hausmann wirft Hannah Höch Selbstgerechtigkeit und Verschlossenheit vor.)

12.6.18

Wenn Du gestern gut gewesen wärst - was hätte es Dich da gekostet, auch ein gutes Gesicht zu machen oder ein gutes Wort zu sagen - aber Du hast fortlaufend geschwindelt. Ich wollte nur, dass Du Dich im Augenblick zusammmennehmen solltest - statt bei der Trauer zu verharren, deren Anlass jetzt 5 Wochen zurück liegt. - Und dann: wem verdankst Du Deine Befreiung, wenn nicht mir? Ist es nicht so, das Du immer wieder Bücher liest, Mereschkowsky, Adler, aus denen Du nur Material gegen mich ziehst? Ich beachte schon das Material, das gegen mich spricht. Aber: Bei Zweien kann einer allein nicht überwinden, enn der andre nur sich selbst schützen will. Was ist mit meinen Ausbrüchen Angststellung vor der Frau und darum Gewalt? Und von Dir verursachte Neurose? Und was ist Dein Abschliessen und Widerstreben anders als Angst vor dem Mann? Deine Hysterie mag ich wohl manchmal erzwingen - so vielleicht gestern - aber der Grund zu alldem legen Deine Hemmungen! Das solltest Du Dir eingestehen und von da aus einmal unser Leben in die Hand nehmen, statt Deine passive Bösheit zu übersehen und nur meine aktive als Einwand gegen mich und zu Deinem Selbstschutz verwerten.Habe ich Dich befreit - nun, so hilf mir doch, meine Manko s zu überwinden - nicht indem Du mir Deine Hemmungen entgegenstellst und mich durch verächtliches und herabsetzendes Benehmen und durch oberflächliches Beobachten und Unwahrheit zum Tier reizt; sondern mir wirklich hilfst und an das Kind im Manne denkst oder zu glauben versuchst. Die Frau (natürlich nicht die "Emanzipierte") als das complexmässig und physiologisch stärkere Wesen müsste das doch können! Du hast mal vor 3 Wochen E.S. gefragt: woher kommt es, dass er so böse ist? Das kommt aus Deiner Verachtung, Deinem Misstrauen und Deiner Feigheit. Aber das glaubst Du nie und nimmer - weil Du dich naiv für ganz oder beinah unschuldig und fehlerlos hältst! Und Adler oder so was gegen mich anwendest -

aber übersiehst, das Einer aus der Gruppe z.B. einen "Fall" Dostoiewsky oder einen "Fall" Strindberg geschrieben hat - warum nicht der "Fall" Nietzsche, Christus, Buddho, Laotse? - Gewiss, ich habe mehr aktive Schuld an Dir, gleichviel! Du hast sie aber nie so gesehenoder zugegeben, wie ich in dem blauen Heft - und warum stiehlst Du unserem Geschehen immer den Sinn durch die innere Selbsttäuschung, Du könntest das nicht mehr ertragen - statt zuzugreifen und zu lenken statt Dich zu retten und mich fallen zu lassen - warum findest Du das unter Deiner Würde und zu "weiblich"? Du weisst, was ich leide, wenn ich schimpfe, warum hast Du nicht das Begreifen und das Weibsein, mich ohne Angst und Unwahrheit zu erlösen?? Siehst Du darin kein Manko, das Dein durch Deinen Vater in Deiner Jugend überreiztes Gerechtigkeitsgefühl nun nur mehr mir gegenüber funktioniert - Dir gegenüber nicht mehr? Ich kann das ja verstehen - aber hilft dies nun nur im Geringsten meinen immerhin vorhandenen männlichen Despotismus zu überwinden? Dieser Despotismus ist etwas durch Generationen vererbtes - schwer ausrottbar und von da aus mache ich viele Fehler, die ich aber hinterher als einzelne Person einsehe oder mich darum bemühe - Dein Gerechtigkeitsgefühl ist aber nichts derart, sondern nur eine Reaktion, die Du durch Beibehalten übersteigert hast - und die Du überwinden solltest. Gewiss habeich gestern alles verkehrt gemacht - aber: was habe ich Dir Vormittag gesagt und gezeigt, was habe ich dann besprechen und erfahren müssen - und wenn Du dann wegen des Anzugs "so blöd" warst - ja kannst Du hier nichts begreifen oder willst Du nicht? Und die Hilfe, ein gutes Gesicht zu machen, hast Du verwehrt. Wenn es dann schlimm wurde - da ist Deine verdammte Angst mit dran Schuld. Aber mach doch lieber gut? Ich bin schon deshalb 40 Minuten weggegangen gestern, weil ich sah, ich handelte falsch. Also sieh auch Du ein, statt aufzugeben aufzugeben - Das Leben ist nur enmal da - dann ist es zu spät. Halte den fest, der Dich liebt und hilf ihm, indem Du Dich bemühst, alles zu begreifen - Du brauchst nicht zu entschuldigen, aber nicht verurteilen! Und wenn ich komme um gut zu machen - dann lade nicht die Schuld auf Dich, mich zurückzustossen!

10.44 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 14.6.1918. Brief 4 Bl. hs.

(Raoul Hausmann wirft Hannah Höch Feigheit, mangelnde Großzügigkeit und Güte vor.)

"Richter - Dir fehlt die Gnade, die mehr ist als Die Gerechtigkeit - "(4)

Wenn Du wirklich so gut nd hingebend und schuldlos wärst, wei Du es zu sein glaubst - wenn Dir wirkich etwas an meiner LIebe läge, oder an Gemeinschaft (aber das sind hübshe Phrasen vor den Ohren Deiner Mitschüler) dann hättest Du das getan, was Du mir nach den 6 Wochen versprachst: aufgepasst und geholfen - aber dazu bist du unfähig! Als ich mir am vorigen Mittwoch die Stirn blutig schlug, um zu Dir zu gelangen - weil Du die tür knapp vor mir zuschlugst - da sagte ich mir : Du bist shclecht. Und das bist Du! - Was ich Dir gestern Vormittag wegen de Kirschenaffaire(5) vorwarf, dass du Dir Dene Überlegenheit nur dadurch beweisen kannst, dss Du mich verächtlich machst, das tust Du jetzt wieder. Und Du schwingst Dich nicht einmal dazu auf, zu sehen, dass ich wirklich in einer gefährlichenSituation bin - und daher du mir hättest helfen sollen, statt wegen Werder so zu werden, wie Du warst.Und das ich das mit dem Anzug als Analogie zu den Kirshen ansehen musste - ich habe ihn Baader in meiner Verzweiflung geschenkt und schenkt ihm damals auch Geld - um nur irgendwie meine Liebe, die Du nicht wolltest, verdrängen zu können.

Und wenn Dir das Herz weh tat - dann hättest DuÕs doch nicht gesagt! Und nachher war ich brutal und gemein, ja - aber Du warst gleichgiltig zuerst und dann feindlich und wolltest mich (oberflächlich dazu) täuschen!! Bist Du wirklich so ganz ohne Fehler gewesen in den letzten Tagen? Oder hätst Du meine Situation für einen Witz, der mir Laune macht? Bist Du wirklich so selbstgerecht und kleinlich, dass Du froh bist, mich als den "traurigen Kerl" zu sehen, vor dem Du ruhig zuschliessen kannst - statt mir zu helfen? Mich zu halten? Mittwoch hast Du mir Unrecht getan - da kannst Du mir jetzt nicht entgegengehen, trotzdemich meine Schwäche einsehe? Ist nicht Deine Weise das Trennen? Jede Störung, die ich habe, nicht auszugleichen, nicht auszugleichen, sondern alles zu tun, um uns zum Zusammenbruch, - d.h. nur mich zum gemeinen Kerl - zu machen? Das ist nicht "der Vater" in Dir? Du schwankst nicht zwischen Liebe und Abneigung - machst mich schuldig durch Passivität und Hemmungen statt zu helfen - wie ich es Dir schrieb gestern?? Hättest Du jemals das blaue Heft (6) schreiben können? Und zu diesem Menschen hast Du so wenig Zutrauen, dass Du fortwährend nur auf Dein Recht aus sein musst, ohne ihm zuzutrauen, dass er seine Fehler hinterher schon einsehen wird? Wenn Du weniger auf die Männlichkeit der Frau (die Du missverstehst) ausgingst - dann würdest Du nicht bei jeder kleinen Hemmung Alarm schlagen ( wie eben mit Werder!) - nicht mich "ertragen" sondern, und das kann die Frau besser als der Mann, grade über die Hemmungen weghelfen! Dass Du aus dem Menschen des blauen Heftes nicht machen kannst, oder willst, weil Du befürchtest, er könnte ein Despot werden - das ist Deine Schwäche - aus einem Incestcomplex - die mich aus Rache dann wie der Vater als "traurigen Kerl" sieht - vor dem Du Dich verschliessen musst!Statt einmal "antwortend entgegenzugehen" - immer Feigheit! Begreifst Du noch nicht, dass der Liebende die Geliebte hassen muss, wenn Sie feige vor ihm ist und zittert und lügt? Und ist Dein Verstand wirklich so gering, dass du nicht siehst, dass Su im Sturm vielleicht gedacht hattest: er ist gestört - ich werde gut sein zu ihm: ich schwöre Dir - es hätte nur eines wahrhaften Blickes oder Wortes bedurft - aber Du hast geschwindelt nd Dich entzogen! Du bist verpflichtet zu glauben - Du musst mir glauben! Merkst Du garnicht , dass Du unserem Geschehen und Erleben bei den geringsten Hemmungen den Sinn nimmst, weil Du nicht "ertragen " willst? Dass ich Dir helfen sollte, sagtest Du gestern Vormittag - und dass Du nicht überlegen und verächtlich sein wolltest - nie willst Du etwas andrs sein - das ist Deine 2te Natur!!

Wenn Du so strahlst und gibst - ja musste dann das mit den Kirschen sein? Das mit dem Anzug sein? Wer wirklich strahlt - den kann nichts stören! Aber Dich dört ALLES - und das bringt mich zu Fall und ich schlage und schimpfe - statt Deiner Verachtung meine entgegenzusetzen - will ich gut sein - und Du ohrfeigst mich dafür moralisch!!!Ich verstehe nicht im gefährlichen Augenblick Deiner Verachtung stand zu halten - aber ich sehe hinterher meine Fehler immer. Du aber willst nur und nur meine Schuld sehen und nie das, das Du mich nicht verachten darfst. Gekränkt und böse ja - aber veachten und belügen darfst Du mich nicht!! Das tatst Du im Sturm und darum wurde ich brutal. Aber Du hast nicht fortwährend nur den Willen zum Zerreissen zu haben sondern zu sehen, das Du nicht ganz fehlerlos bist - und gut sein musstest! Dir wäre jetzt wohl, wenn ich tot wäre oder im Zuchthaus sässe - das kannst Du nicht leugnen! Mir ist es aber nicht wohl, dass Du mich vor der verschlossnen Tür stehen lässt! Hast Du gar keinen Vorwurf zu machen, gnadenloser Richter? Unser Leben ist jämmerlich - weil Du aus mir nichts machen kannst - aus keinem Mann etwas machen könntest! Weil Du froh bist, böse sein zu können!

Ist das die Wahrheit oder Lüge gewesen, das Du mir helfen wolltest und es mir leichter machen wolltest - und habe ich bei Dir bleiben wollen oder nicht - hast nicht regelmässig Du mich hinausgeworfen? Mache doch endlich einen Versuch, positiv unser Leben zu gestalten - versage nicht immer, wenn Du ein gutes Gesicht geben müsstest oder ein kleines Wort! Darum lässt Du lieber alles zusammenbrechen - wenn ich jähzornig bin - Manko s habe - ja kannst Du nicht darüber weghelfen?Du bist heute um 1/4 12Uhr unten - wenn du überhaupt ein Mensch bist! Habe ich Dir vorgestern Vormittag nur was vorgelogen?? Was hast Du eingesehen?

(4)Randbemerkung von Höch: Lieber Gott es ist nicht wahr. Warum ist dieser Mensch so furchtbar böse? (5) Hausmann war mit der ganzen Familie Baader in "einem Kirschgarten zu Plesow im Kreis Zauch-Belzig" (Baader-Zitat), (Hoffentlich richtig stimmt nämlichnicht mit der Ortsangabe Werder überein), um sich nach den Ausenandersetzungen mit Höch wiederzu fassen (vgl.kat.nr. )

(6) Brief an Höch vom 1.bis 5.Mai1918

(vgl.kat.nr. )

10.45 Raoul Hausmann an Hannah Höch. 15.6.1918. Brief. 3. Bl. hs.

(Der Brief enthält Abschriften von früheren Briefen Hausmanns an Hannah Höch (15.3.1918 und 28.4.1918). Hausmann nimmt Stellung zu Hannah Höchs Vorwurf der "Doppelehe". Erneut beschwört er eine neue Form der Gemeinsamkeit.)

Brief von H.H. vom 15. März 1918.

Ich bin nicht für eine Doppelehe, und führe keine Doppelehe, denn ich bin gegen jede form : Ehe. Du bist gegen diese Halbheiten, wie Du sagst. Erkenne, welcher Zwang von Verzweiflung und Leid hinter diesen Halbheiten steckt - wie das Ich daran krepieren würde, wenn es nicht die Macht hätte, Leben zu sein, Leben zu bleiben, in allen Zusammenbrüchen noch eine Möglichkeit ihrer Auflösung sich eroberte, als Glück. Wenn auch nur auf Sekunden. Und ich sehe, dass Du im Begriff bist, Dich mit Deiner Ablehnung zu töten! Zwar verschanzt, äusserlich, hinter Stolz, aber Dich eben deshalb tötest! Das Leben in Beziehungen, dass aus dem ungeheuren Leid jeden Augenblick des Erlebens trägt, die Einzelnen erretten will im WIR, dieses Leben ist auch das Deine. Und Du zerbrichst, wenn du Dich dagegen auflehnst. Vielleicht, dass dieses Zerbrechen die tragik eines Schicksals enthält. Die Erlösung, Auflösung des Schicksals, des Einzelnen ist das Ertragen der Gemeinsamkeit, die Grösse der Liebe des Einzelnen im Aufnehmen und Tragen des Leids aller. Gewiss darf ich gesagt haben: u n a c u m u n o . Das nur Dir und mir gehörige Gemeinsame darin kann nie aufgehoben werden

( ... ist kl . Absatz wieder gebracht ...)

Diese Aufgabe, die wir haben - und die wir nicht nur für uns allein haben - die darfst Du nicht verlassen. Diese Krankheit zum Leben führen - oder zum Tode - aber nicht isolieren! Was hast Du Schiffer (2) gesagt? Willlst Du Deine Innerlichkeit oder Persönlichkeit auch (wenn auch weniger primitiv) für Dich retten - wie er? Die Schuld jedes Einzelnen, wenn er seine Aufgabe verlässt oder Fehler macht trifft das Ganze Heute, - Fehler machen wir Beide. Du könntest nur verurteilen - wenn Du keine Fehler machtest. Aber Du selbst hast das Mittwoch Vormittag zugegeben!

(3)(Folgendes mschr.)

. . . Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig.Ich weiss meine Schuld. aber: In mir ist auch ein Kindliches. Dies i s t w a h r . - wie hätte ich sonst Vater Deines Kindes sein wollen können? Und ich wollte Kind sein, trotz allem Widerstreben in mir gegen meine Auflösung als Mann in Dir, der Frau. Ich fliehe nicht mehr. Du hast die Macht, mit mir zu bleiben. Vertraue, dass ich mich überwinde. mache mich zum Kind. Du fliehe auch nicht vor mir: Sei meine Mutter.27.April 1918.

Jeder Mann ist Adam, dem Weib und Welt neu, primär entgegenstehen. Erkenne: Eva, die grosse Jungfau-Mutter, Maria mit dem Kinde, dies zugleich Adam. Im Menschen kämpft Geist-Seele mit sich selbst, Geist Adam hasst darum Seele Eva, weil sie seines innersten alleinigen Gottes Mutter ist, damit auch s e i n e . Durch welche Tode muss ihrer beider Hass, bis sie s i c h erkennen! Sie s e l b s t sind!

(Folgendes hs.)

Du weisst am Besten, was heute errungen werden soll - eimal, das Erste mal - und wie schwer das ist - und das die Hemmungen nicht aus uns, sondern aus unseren Vätern kommen! Und wir darum uns verzeihen sollen - was ich ja im Augenblick auch verfehle - aber wenigstens nachher gut sein!

Gut sein! Immer wieder - so schwer es auch sei!Ich werde jeden Abend um 1/2 12 Uhr Dich erwarten. Du kannst ganz ruhig in Deinem Haus aus und eingehen, ich will wegen der Beobachtung duch die Leute nichts anderes unternehmen - Briefe nur durchstecken. Komm, sei stark und gut!

Kannst Du es wirklich veantworten - böse zu bleiben?Und wenn man mich in einiger Zeit verhaften wird - da werde ich Dir nicht fehlen? Dann wird es zu spät sein! Und sage doch ehrlich selbst: in meiner Lage wärst Du auch unfähig einen Anzug-schmerz (6)zu verstehen - wo alles zum Teufel geht - und ich ganz was andres als den Anzug mit Dir sprechen wollte!

In dem Geschehen Mann-Weib ist das Schwerste, dass die Hemmungen nicht nur aus dem Eignen, Persönlichen - sondern aus den ersten Kindheitscomplexen und den daraus gestalteten Leitlinien entstehen ( 7 )

- wonach man instinktiv noch das ganze Geschehen wertet - also eigentlich fälscht. Ich sowohl, wie Du, wie Jung - Jeder, und dass wir das immer wieder Jeder übersehen und vergessen. Das Herkommen aus der Familie und die Anpassung an die Kindheit wirden so zwingend - dass der Kampf um die Befreiung fast hoffnungslos erscheint - aber einmal muss es doch gelingen! - Natürlich bin ich auch der Oberlehrer - aber ich will es zu vermeiden suchen! - Wenn wir uns alle töten sollen, MÜSSEN - dann müssen wir durch allen Dreck und durch alles Elend durch glauben - glauben - aneinander glauben! Ich glaube an Dich - und Du musst auch glauben und die Vereinsamungstendenz Deiner Kindheit zu überwinden suchen - wie sehr ic dich auch kränke und verkehrt an dir handle!

R

(Fehlt vorhergehendes Blatt)

und des Erlebens heben doch nicht das Gemeinsame auf!

(folgt ungestrichene Passage in der Edition)

Ich leugne ja nicht meine Fehler: aber Du sollst vestehen und helfen - das versprachst Du mir am 13. Mai - und nicht verurteilen - wenn Du verachtest hast Du ebenso Schuld wie ich - mit Roheit. Sei doch gut - es gibt kein Ende

Mein Gott - diese Zusammenbrüche innerhalb der Beziehungen

15.Juni 18.

(Folgendes mschr.)

Ich sehe ganz klar Deine grosse Kraft und auch Deine Reinheit. Aber Du darfst nicht sagen, ich wäre bei allem Reichtum ein ganz armer Mensch. Dem widerspricht meine Fähigkeit, mich im körperlichen Geschehen grenzenlos hinzugeben. Und Du darfst auch nicht sagen, Du würdest Dich über den Mann zu stellen haben, dies ist Dein Irrtum gewesen - so wie der meine war, dass ich von der Frau, "die dem Manne antwortend entgegengeht" etwas gewusst hätte. Auch das Dritte, das kind stellt nicht die Frau über den Mann. Und dann muss ich noch sagen: im Januar warfst Du mich hinaus - wegen meiner "UnreinheitÓ. Ein Jahr lang hast Du immer Deine Widerstände gegen mich aus dieser "Unreinheit" gestärkt und dis so wenig gemerkt wie ich: dass ich Deine "Hysterie" oftmals geradezu provoziert habe, durch psychologische Beunruhigung und nachheriges Selbstgerechtigkeitsbewusstsein meinerseits. Manchmal ahnte ich dies meine Schuldigkeit - war aber zu feig, sie einzugestehen.

Aber auch Du hast nicht Mut genug zu mir gehabt. Gerade in letzter Zeit machte ich mehrmals Versuche, aufrichtig mit Dir zu sein - Du ironisiertest mich gerade am letzen Tag, obzwar Du sahest, dass ich vieles ganz objektiv sah, und tratst für Deinen Vater ein(12) - da wurde ich dreckig. Aber aus Not, nicht aus Lust an Gemeinheit. So, wie ich heute weiss, dass Du in einem wesentlichen Complex, nämlich meiner Reinheit als Mann, mich missverstanden hast - das hat mich Dir entfremdet, darum suchte ich bei der anderen Frau - nämlich die Bestätigung meiner Reinheit. Glaube an mich - denn ich sage Dir, wenn Du mir schreiben konntest: die Grundfesten können Dir nicht erschüttert werden - dann must Du sehen: ich bin nicht so arm, das ich mich nicht gänzlich erkennen köönte - darum hst Du die Macht, mit mir zu gehen bis ans Ende: denn wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig.

28.April 1918

Wenn ich Dich je als das gesehen hätte, als das ich Dichin meinen Erregungspathologien mit groben Worten bezeichnete, hätte ich nicht immer wieder zu Dir kommen wollen und können - ebenso, wie ich Dich nicht vorsätzlich, mit Bewusstsein vergewaltigen wollte - ich weiss und wusste immer, dass ich Dich zu meiner Existenz , zu meinem S e i n notwendig brauchte - darum darfst Du nicht, auch jetzt nicht g e g e n mich sein. - Auch manche meiner Bereitschaften, entgegenzukommen im Augenblick des Böseseins - die hast Du nicht wahrhaben wollen - aus Angst vor mir.

(2) Marcellus Schiffer, Mitschüler Höchs in de Orlik-Klasse

(3) Randbemerkung von Höch: die natürlichen Beziehungen Mann Weib Kind - leiden keinen Dritten, Du belügst Dich, denn Du erlaubst mir auch keinerlei andere Beziehungen noch nicht einmal die zu meiner Heimat Bürgerlichkeit!!! Pfui ich weiss es so genau und verachte Dich, ich weiss es, warm du unser Leben zerstörst.

(7) Randbemerkung von Höch: Lüge nicht immer wieder. Du weisst (vier mal unterstrichen)es. Ich bin frei.

(12) Randbemerkung von Höch: dies ist nicht war, ein Ausweg den Du Dir suchtestweiter
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