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5.Tag 25. Juni

Tuchola bis Motel vor Mewe

80km gefahren

Frühstück nicht abgewartet; fühle mich wohl heute mit kleiner neuer Karte. Vergessen, nach Tucheler Heide zu fragen Vor Tlen rechts im Wald Wacholderbüsche Kiefernwald licht und voll blühenden Grases. Vorhin ein totes Kotek. Dann über Trzebciny (Junkerhof) in die ausgesprochenen Urlaubsorte. Dann hinter Ossie (Osche) zunächst Betonplattenstraße, nach Flüßchen eine Schneise mit 5 spuriger Teerstraße 3 Kilometer lang Und das im Regen. Beeindruckend Foto gemacht Dann wieder Tucheler Heide. Bilderbuchwald mit Erdbeeren. Hier jetzt erste Holzhäuser mit geschnitzten Verzierungen. Ecke Warlubie alles Lkws nach Danzig. Ich fühle mich wohl Gulasch und Wasser an Straßenraststätte. Es ist heiß in der Regenpause.

Es regnete also nur vormittags. Sehr gut mit Regenzeug, das auch ein bischen wärmte.Telefonkarte gekauft und zuhause angerufen. Aber dann Foto Autoschnellstraße nach Danzig. Alles gut. Kirschen gekauft, halb verfault. Einer streckt seinen dicken nackten Hintern aus dem Beifahrerfenster eines kleinen Lasters. Erste mögliche Fähre ist nix. Neuburg Foto Weichselniederung Dann muß ich dauernd pinkeln. Eine echte Nutte steht plötzlich rechts in einer Waldeinfahrt einsam und unverkennbar. Ich bremse, frage, ob ich Foto machen darf. Eigentlich will ich sie bloß betrachten .Frage ob deutsch - englisch? Sie antwortet sie sei polnisch. Blond gefärbt, dick Makeup, dunkel gekleidet mit Handtasche Ich wünsche ihr auf deutsch Viel Glück. Dann kehre ich in die Bar Alexander links der Straße ein: sehr gute Pierogi mit etwas Knoblauch und Zbiniew, 18 Jahre alt, der sich trotz acht Jahre Deutschunterrichts nicht an den Unterschied zwischen Brücke und Fähre erinnern kann." pram" heißt das eben auf polnisch und ich kriege heraus daß das Ding nicht fährt wegen Hochwassers. Ein betrunkener Opa holt von zuhause extra seine Brille, um mit mir nicht ersichtlichem Ziel meine Karte von 1937 zu studieren. Er ist 76 Jahre alt , küßt mir zweimal die Hand, Vater von Zbiniew guckt auch auf die Karte. Solche haben sie wohl noch nie gesehen. Als ich fahre ist es 17 Uhr und die Fähre bei Gniew/Mewe scheint tatsächlich nicht in Betrieb wegen Hochwassers. Und es regnet. Mein Regenponcho wird hochgeweht, das ist zu gefährlich. Also da ist gleich Motel mit zwei Hunden , die in Schach gehalten werden müssen und einem eilfertigen Hausdiener. Rad kommt in die Garage. Ich bleche 50 DM in deutschem Geld. Das ist inklusive Frühstück. slede Hering / barszcz czysty(klar) / kotlet schabowy ist Schnitzel / Pute ist kaczka /Ente pieczona / sok zczarnejporzeczky Johannesbeersaft / sok jabl(/)kowy Apfelsaft / oder doch: Indyk ist die PuteAlles bekommt ein anderes Gewicht. Der Blick, der Gruß , die Stimmung, das Gefühl, fremd zu sein. Mit einer alten oder mit einer jungen Frau zu sprechen.

6.Tag Samstag 26. Juni

Mewe bis Dzierzgon

8.30 los mit Hotelfrühstück zuerst Regen, dann 9Uhr 15 doch Prom czenny(Prom heißt eben: Fähre und czenny: geöffnet) Hochwasser ist nur an der Oder. Vor der Stadt Mewe mit imponierender Deutschordensburg , wie man sich das vorstellt. Steile Felsen und flacher Küstenstreifen. Die Weichsel erscheint sehr breit und mir erscheint sie als Etappenziel. Ich bin total gerührt. Es ist sonnige Morgenstimmung - traumhaft schön. Die kleine Drahtseilfähre nimmt vier Autos mit. Ich filme lieber nicht, weil die eine Frau so fünsch guckt. Ich lasse mich aber fotografieren. Holzbohlen bilden den Boden dieses alten Schiffes, kleines Führerhäuschen. Zwei Jungen mit Angeln erscheinen noch. Worauf warten wir?

Auf der anderen Seite gibt es gekennzeichneten Radroute "R1" Ich sehe hier offensichtlich "Deutschlands" oder "Europas"schönste Radfahrstrecke, uralte Linden dicht an dicht, gut gepflegt, dieses Paradies wird geachtet. Ich besteige nach einiger Zeit den Deich - der Weichselfluß Das Panorama erscheint überraschend und zum Heulen schön. Ich bin ganz überwältigt. Dieses tiefe Gefühl hält nicht lange an, neben mir erscheint auf dem Deich zur Abwechslung ein Polski Fiat samt Pärchen - Ja -- hier leben Leute, für die der Blick über den Fluß so selbstverständlich ist wie für mich der Blick über den Wannsee bei Sonnenschein.. Wir machen einen kleinen Spaß und weiter geht's. Ich komme an eine Schleuse und gucke noch mal genau auf die Karte ob das wohl hier die Nogat ist. Die Schleuse erscheint mir sicherlich zwanzig Meter hoch und ist aus rotem Backstein. Ich wende mich nach links und bin im Delta. Im großen Werder. Ich filme jetzt. Vielleicht war dieser südliche Teil meiner Mutter nicht geläufig, aber ich erwarte nun die nähere Umgebung der Heimat meiner Mutter.

Ich treffe auf ein Dorffest in Mielenz zum Schuljahresende. Ein Stand informiert über die Möglichkeiten des Agrotourismus. Filmaufnahmen Miniplaybackshow. zum Schreien komisch Dann fahre ich weiter nach Neuteich. Mit mittelalterlicher Kirche und großzügig angelegter Stadt. Neuteich ist eine richtige Kleinstadt mit Ring. Ich verzichte darauf, etwas zu filmen. Auffällig ist ein Edekamarkt im Zentrum, der mich gutmütig stimmt. Ich versuche zu telefonieren und am Ortsausgang schaut Frau Wilkens, Jg. 37 aus dem Fenster und unterhält sich mit mir. Das ist typisch für meine Reise. Immer treffe ich passende Leute Sie kommt aus Eichwalde (Debina (Debina muß auch eine direkte Übersetzung sein, denn Deb hat etwas mit Eiche zu tun und auch Dom in Dombrowski z.B.) Debina /Eichwalde ist einStraßendorf ein größeres Anwesen am Dorfausgang rechts. Mir wurde klar, daß es in Eichwalde wohl auch Dorfnachbarn für meine Mutter gegeben haben muß

(jetzt bei der Transkription kommt mir das ganze noch verdächtiger vor, denn warum habe ich ein so unscharfes Bild von dieser ganzen Welt.

Chlebowko (Brodsack) wirkt eigentlich in seinen Höfen beeindruckender auf mich. Und Tannsee hat eine große Kirche, keine Feldsteinanteile(?)(Immerhin muß sich der Leser vorstellen, daß ich seit 6 Tagen durch Dörfer fahre und zwar 10 Stunden am Tag mit weit geöffneten Augen und Sinnen.) Besonders bei der Annäherung am "Mami" raubte mir die schlechte Straße von Tralau schon den letzten Nerv. Ich mußte das Rad schieben. Erstmalig kläffende blöde Scheißköter, die nicht angebunden waren. Der Marienburger Pole sagte mir. "Ja , ich kenne Debina - leider alles Russen da " So denkt der eingesessene Pole aus der Gegend und er mag sie immer noch nicht leiden, seine Landsleute aus der Ukraine.

In Marienburg empfangen einen verfallende Häuser. Marienburg selbst ist eine große moderne Stadt mit Fabriken z.B. einer Fahrradfabrik

Der Betrieb um die Burg ist fröhlich. Ich sitze auf dem Schiff neben einer etwas einfachen, aber in ihrem Element sich befindenden Frau, aus Marienwerder gebürtig mit ihren beiden Töchtern in meinem Alter, die locker ihre Zweifel an ihrem Hiersein verbergen. Die Frau erinnert mich etwas an Frau Streitz, Sabines Mutter.Alle haben lange in Schwerin gelebt. So mischt sich wieder alles im Zeithistorischen. Es ist ein so wunderschöner Abend und erst sieben Uhr, so daß ich beschließe, noch weiterzufahren. Bis Christburg sind es allerdings noch 28 Kilometerchen. Und diese Tour gehe ich teilweise die Steigungen und habe ein taubes Gefühl im linken Bein. Und bin unsicher in der Einschätzung meiner Kräfte, empfinde die Fahrt als Tortur. In Richtung Altmark ist die Straßenführung geändert, sonst hätte ich ja noch diese Attraktion der anderen Verwandtschaft gesucht. Die Allee nach Christburg scheint gefällt werden zu sollen? Christburg macht aus Richtung Marienburg einen supermodernen Eindruck, was darauf hindeutet, daß die Stadt komplett zerstört worden war. Ich frage wieder Oberschülerinnen auf englisch. Dadurch bekomme ich Zugang zu einem Familientreffen einer polnischen Familie, deren Teilnehmer großteils in dem zum Hotel umfunktionierten Kloster übernachten. Eine willensstarke Frau, Mitte zwanzig, bringt mich im Beisein ihrere beiden kleinen Cousinen dort unter. 40 Sl mit Dusche und Toilette über den Gang . Sittensen, die Partnerstadt, ist mit Großfotos präsent.

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